Progressive citation: Sceptical Philosophy
Chronologically we find the following relevant passages in Kant’s writings since 1765:
a)
Announcement of the Organization of his Lectures in the Winter Semester 1765-1766 (1765): „Der den Schulunterweisungen entlassene Jüngling war gewohnt zu lernen. Nunmehr denkt er, er werde Philosophie lernen, welches aber unmöglich ist, denn er soll jetzt philosophiren lernen. Ich will mich deutlicher erklären. Alle Wissenschaften, die man im eigentlichen Verstande lernen kann, lassen sich auf zwei Gattungen bringen: die historische und mathematische“ (2.306) – man kann das lernen, „was als eine schon fertige Disciplin uns vorgelegt werden kann. Um also auch Philosophie zu lernen, müßte allererst eine wirklich vorhanden sein. Man müßte ein Buch vorzeigen und sagen können: sehet, hier ist Weisheit und zuverlässige Einsicht; lernet es verstehen und fassen, bauet künftighin darauf, so seid ihr Philosophen“. Dies ist ausgeschlossen. „Die eigenthümliche Methode des Unterrichts in der Weltweisheit ist zetetisch, wie sie einige Alte nannten (von zetein) d. i. forschend, und wird nur bei schon geübterer Vernunft in verschiedenen Stücken dogmatisch, d. i. entschieden. Auch soll der philosophische Verfasser, den man etwa bei der Unterweisung zum Grunde legt, nicht wie das Urbild des Urtheils, sondern nur als eine Veranlassung selbst über ihn, ja sogar wider ihn zu urtheilen angesehen werden, und die Methode selbst nachzudenken und zu schließen ist es, deren Fertigkeit der Lehrling eigentlich sucht, die ihm auch nur allein nützlich seyn kann“ (2.307).
b)
Critik of Pure Reason (1781/87): „Diese Methode, einem Streite der Behauptungen zuzusehen, oder vielmehr ihn selbst zu veranlassen, nicht, um endlich zum Vortheile des einen ode des andern Theils zu entscheiden, sondern, um zu untersuchen, ob der Gegenstand desselben nicht vielleicht ein bloßes Blendwerk sey, wornach jede vergeblich haschet, und bey welchem er nichts gewinnen kann, wenn ihm gleich gar nicht widerstanden würde, dieses Verfahren, sage ich, kann man die sceptische Methode nennen. Sie ist vom Scepticismus gänzlich unteschieden, einem Grundsatz einer kunstmäßigen und scientifischen Unwissenheit, welcher die Grundlagen aller Erkenntniß untergräbt, um, wo möglich, überall keine Zuverlässigkeit und Sicherheit derselben übrig zu lassen. Denn die sceptische Methode geht auf Gewißheit dadurch, daß sie in einem solchen, auf beiden Seiten redlichgemeinten und mit Verstande geführten Streite, den Punct des Mißverständnisses zu entdecken sucht, um, wie weise Gesetzgeber thun, aus der Verlegenheit der Richter bey Rechtshändeln für sich selbst Belehrung, von dem Mangelhaften und nicht genau Bestimmten in ihren Gesetzen, zu ziehen. Die Antinomie, die sich in der Anwendung der Gesetze offenbaret, ist bey unserer eingeschränkten Weisheit der beste Prüfungsversuch der Nomothetik, um die Vernunft, die in abstracter Speculation ihre Fehltritte nicht leicht gewahr wird, dadurch auf die Momente in Bestimmung ihrer Grundsätze aufmerksam zu machen. /Diese sceptische Methode ist aber nur der Transscendentalphilosophie allein wesentlich eigen, und kann allenfalls in jedem anderen Felde der Untersuchungen, nur in diesem nicht, entbehrt werden.“ (First Critique A 423 f. B 451 f.)
c)
„Man kann also unter allen Vernunftwissenschaften (a priori) nur allein Mathematik, niemals aber Philosophie (es sei denn historisch), sondern, was die Vernunft betrifft, höchstens nur philosophiren lernen. [...] Man kann nur philosophiren lernen, d. i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Principien an gewissen vorhandenen Versuchen üben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft, jene selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestätigen, oder zu verwerfen“. (First Critique A 837 B 865).
d)
„Alles sceptische Polemisiren ist eigentlich nur wider den Dogmatiker gekehrt, der, ohne ein Mißtrauen auf seine ursprüngliche objective Principien zu setzen, d. i. ohne Critik gravitätisch seinen Gang fortsetzt, bloß um ihm das Concept zu verrücken und ihn zur Selbsterkenntniß zu bringen.“ (First Critique A 763 B 791)
e)
Introduction into Metaphysics of Morals (1797): claim: „vor dem Entstehen der kritischen Philosophie [hat] es noch gar keine gegeben“. (6.206) – At first one should clarify: „ob es wohl mehr als eine Philosophie geben könne. Verschiedene Arten zu philosophiren [...] hat es nicht allein gegeben, sondern es mußte viele Versuche dieser Art, deren jeder auch um die gegenwärtige sein Verdienst hat, geben; aber da es doch, objectiv betrachtet, nur Eine menschliche Vernunft geben kann: so kann es auch nicht viel Philosophieen geben, d. i. es ist nur Ein wahres System derselben aus Principien möglich, so mannigfaltig und oft widerstreitend man auch über einen und denselben Satz philosophirt haben mag. [...] – Wenn also jemand ein System der Philosophie als sein eigenes Fabrikat ankündigt, so ist es eben so viel, als ob er sagte: vor dieser Philosophie sey gar keine andere noch gewesen. Denn wollte er einräumen, es wäre eine andere (und wahre) gewesen, so würde es über dieselbe Gegenstände zweyerley wahre Philosophieen gegeben haben, welches sich widerspricht. – Wenn also die kritische Philosophie sich als eine solche ankündigt, vor der es überall noch gar keine Philosophie gegeben habe, so thut sie nichts anders, als was alle gethan haben, thun werden, ja thun müssen, die eine Philosophie nach ihrem eigenen Plane entwerfen“. (6.207)
f)
Logic (1800): „Ehe wir indessen eine Definition von Philosophie zu geben versuchen, müssen wir zuvor den Charakter der verschiedenen Erkenntnisse selbst untersuchen und, da philosophische Erkenntnisse zu den Vernunfterkenntnissen gehören, insbesondre erklären, was unter diesen letztern zu verstehen sey. /Vernunfterkenntnisse werden den historischen Erkenntnissen entgegengesetzt. Jene sind Erkenntnisse aus Principien [...]; diese Erkenntnisse aus Daten [...]. [...] /Man kann nämlich Erkenntnisse unterscheiden /1) nach ihrem objectiven Ursprunge, d. i. nach den Quellen, woraus eine Erkenntniß allein möglich ist. In dieser Rücksicht sind alle Erkenntnisse entweder rational oder empirisch; 2) nach ihrem subjectiven Ursprunge, d. i. nach der Art, wie eine Erkenntniß von den Menschen kann erworben werden. Aus diesem letztern Gesichtspunkte betrachtet, sind die Erkenntnisse entweder rational oder historisch, sie mögen an sich entstanden sein, wie sie wollen [...]. /Aus dem angegebenen Unterschiede zwischen objectiv und subjectiv rationalen Erkenntnissen erhellt nun auch, daß man Philosophie in gewissem Betracht lernen könne, ohne philosophiren zu können. Der also eigentlich Philosoph werden will, muß sich üben, von seiner Vernunft einen freien und keinen bloß nachahmenden [...] Gebrauch zu machen“. (9.22)
g)
„Es kann sich überhaupt keiner einen Philosophen nennen, der nicht philosophiren kann. Philosophiren läßt sich aber nur durch Uebung und selbsteigenen Gebrauch der Vernunft lernen. /Wie sollte sich auch Philosophie eigentlich lernen lassen? Jeder philosophische Denker baut, so zu sagen, auf den Trümmern eines Andern sein eigenes Werk, nie aber ist eines zu Stande gekommen, das in allen seinen Theilen beständig gewesen wäre. Man kann daher schon aus dem Grunde Philosophie nicht lernen, weil sie noch nicht gegeben ist. Gesetzt aber auch, es wäre eine wirklich vorhanden: so würde doch keiner, der sie auch lernte, von sich sagen können, daß er ein Philosoph sey, denn seine Kenntniß davon wäre doch immer nur subjectiv-historisch“. (9.25)
h)
„Der philosophiren lernen will, darf dagegen alle Systeme der Philosophie nur als Geschichte des Gebrauchs der Vernunft ansehen und als Objecte der Uebung seines philosophischen Talents. /Der wahre Philosoph muß also als Selbstdenker einen freyen und selbsteigenen, keinen sklavisch nachahmenden Gebrauch von seiner Vernunft machen. [...] /Wir werden also zum Behuf der Uebung im Selbstdenken oder Philosophiren mehr auf die Methode unsers Vernunftgebrauchs zu sehen haben als auf die Sätze selbst, zu denen wir durch dieselbe gekommen sind“. (9.26)
i)
No matter how detrimental radical scepticism is – „so nützlich und zweckmäßig ist doch die skeptische Methode, wofern man darunter nichts weiter als die Art versteht, etwas als ungewiß zu behandeln und auf die höchste Ungewißheit zu bringen, in der Hoffnung, der Wahrheit auf diesem Wege auf die Spur zu kommen. Diese Methode ist also eigentlich eine bloße Suspension des Urtheilens. Sie ist dem kritischen Verfahren sehr nützlich, worunter diejenige Methode des Philosophirens zu verstehen ist, nach welcher man die Quellen seiner Behauptungen oder Einwürfe untersucht, und die Gründe, worauf dieselben beruhen; eine Methode, welche Hoffnung giebt, zur Gewißheit zu gelangen“. (9.84)